Training im Lockdown – (wie) geht das?

„Mir zerreißt es das Herz“ – die Äußerung von Bundeskanzlerin Merkel in einer Stellungnahme zu den gravierenden freiheitseinschränkenden Maßnahmen der Regierungen in Bund und Land kommt auch Käthe Link gleich zu Beginn unseres Gesprächs über die Lippen. Sie äußert so ihren Schmerz über die verfügte Totalaussetzung jeglicher klassischen Trainingsarbeit in den verschiedenen Gruppen der LGM. Besonders leid tun ihr die Kinder. „Meine Kindergruppe kann ich nur noch per Fernanweisungen betreuen, telefonisch oder per WhatsApp“, erklärt Käthe. Während es für ihre Langlaufgruppe, die aus Erwachsenen besteht, immerhin möglich ist, sich paarweise bzw. zeitversetzt an bestimmten Treffpunkten zum Training zu verabreden, sei dies bei Minderjährigen nicht mach- und zumutbar. „Und da droht infolge des langen, allzu langen Lockdowns wegen der Corona-Pandemie eine Menge wegzubrechen, die Kinder verlieren die Motivation fürs Training, das für sie auch immer soziale Begegnungen bedeutet hat. Die Gefahr besteht, dass Kinder den Sport aufgeben – mit all den unliebsamen, gesellschaftlich völlig unerwünschten Folgen“, lautet Käthes düstere Prognose.

Jemanden, der sich vom Sport gelöst hat, wieder zurückzugewinnen, sei eine „äußerst schwierige Sache“, weiß die erfahrene Trainerin aus jahrzehntelanger Erfahrung. Und mahnt, an die Adresse der Politik gerichtet, mit dieser Verantwortung nicht leichtfertig umzugehen. „Ich verstehe nicht, wieso die Stadt so lange zögert, das Grenzlandstadion für den Vereinssport im Außenbereich wieder zugänglich zu machen“, klagt Käthe Link. Im Stadion sei es ganz einfach, die Abstands- und alle weiteren Hygieneregeln einzuhalten. Dennoch habe sie erleben müssen, dass im Herbst, als das Stadion noch offen war, wiederholt Beobachter vor Ort aufgetaucht seien, deren offenbar einziges Anliegen darin bestand, festzustellen, ob die Trainerin sich in die Nähe von Athleten begab, um ihnen Anweisungen für Trainingsrunden zuzurufen. „Solch üble, weil unangemessene und in keiner Hinsicht hilfreiche Denunziation scheint sich wie ein Virus als charakterliches Ausfallprodukt zu verbreiten“, resümiert Käthe Link. Die älteren Athletinnen und Athleten suchen sich selbst Ausweichquartiere im Stadtwald nahe dem „Monte Klamotte“, im Volksgarten, rund um das Borussia-Stadion oder im Park am Rheydter Schloss. Wann sie wo trainieren, bleibt ihre individuelle Entscheidung.

Um die drohende negative Entwicklung bei der Leichtathletik zumindest abzufedern, gibt es die Möglichkeit, den etwa zehn Mitgliedern der Kindergruppe, die Käthe zusammen mit Dietmar Riede betreut, regelmäßig Aufgaben fürs Training zu geben. Wo sie diese draußen im Freien ausführen – zum Beispiel am Schloss Rheydt, rund ums Wickrather Schloss, im Rheydter Stadtwald oder im Bunten Garten –, bleibt naturgemäß den Kindern bzw. ihren Eltern  überlassen. Allerdings findet so eine eigentlich vorgesehene Beaufsichtigung durch Trainer nicht mehr statt. Hier sind die Eltern, andere Verwandte oder ältere Geschwister aufgerufen, sich darum zu kümmern, dass die Kinder der U12-Gruppe in einer sicheren Umgebung trainieren können.

Auch die zwölfköpfige Trainingsgruppe von Wettkampfwart Tobias Schäfer erlebt im Lockdown eine schwere Zeit. „Im ersten Lockdown vergangenes Jahr hatten wir noch Gelegenheit, individuell draußen bei Licht zu trainieren“, erinnert sich Tobias, „das ist im Winter anders.“ Da es früh dunkel wird, ist es derzeit schwierig, Jugendliche dazu zu bringen, abends raus zu gehen, um zu trainieren. „Meine Athleten absolvieren ja bevorzugt kürzere Strecken, sie machen Sprints über 60, 100, 150 oder 200 Meter, das passt am besten ins Stadion, und das ist gesperrt“, bedauert Tobias Schäfer. Der Trainer schreibt seinen Athletinnen und Athleten, Jugendliche ab 14 Jahren, zwar für jede Woche einen Trainingsplan, sogar Pläne fürs Krafttraining sind dabei. „Aber davon können nur Leute Gebrauch machen, die zu Hause über Fitnessgeräte verfügen“, gibt Tobias zu bedenken. Im Lockdown sei aktive, persönliche Betreuung durch den Trainer nicht möglich. „Ich kann nicht kontrollieren oder korrigieren, wie Athleten das Programm praktisch umsetzen“, sagt Tobias. Insofern beobachte er, dass die Motivation seiner Schützlinge durch den Lockdown stark gelitten hat. Der Sport tritt für viele vormals begeisterte junge Athleten zurzeit in den Hintergrund, bedauert der Trainer. In einer völligen Individualisierung des Trainings sieht Tobias Schäfer übrigens keine dauerhaft tragfähige Problemlösung. „Wir sind ein Sportverein. Die Idee hinter dem Wort Verein ist doch, dass man etwas vereint, gemeinsam tut, dass man sich zum Zweck des Trainings trifft und sich über das Programm auch austauscht. Dieses Prinzip ist unter die Räder geraten“, fasst Tobias zusammen.

Dustin Noeske arbeitet seit frühester Jugend mit Kinder- und Jugendgruppen der LGM. „Angefangen habe ich mit 14“, erinnert er sich. Seine Gruppen (U12 und U14) können derzeit weder im Stadion noch in der Dreifach-Turnhalle an der Luise-Vollmar-Straße trainieren. Aus der Not machte Dustin eine Tugend: „In den WhatsApp-Gruppen habe ich seit November 2020 Woche für Woche wechselnde Challenges als Aufgaben gepostet“, erklärt Dustin. Die Idee kam aus Teilnehmerkreisen seiner Trainingsgruppen. Da hieß es dann in einer Woche: „Wie schaffen wir es zusammen 50 Kilometer zu laufen?“ Ein Kind lief dann an zwei Trainingstagen insgesamt vier Kilometer, andere liefen dreimal je einen Kilometer weit. Die individuellen, mit Smartwatch oder Schrittzähler gemessenen oder geschätzten Ergebnisse teilten die Kids ihrem Trainer am Wochenende mit, manche schickten Fotos oder Videos von ihrem Training. Dustin bat die Gruppe für die kommende Woche darum, gemeinsam das Soll von 500 Sprüngen mit dem Springseil zu erfüllen. Eine Woche später ging es darum, möglichst viele Liegestütze zu absolvieren oder möglichst viele Treppenstufen aufwärts zu laufen. „Ein Mädchen schrieb mir: Ich bin sozusagen siebenmal auf den Kölner Dom gestiegen!“ Respekt!

Als kleines Dankeschön packten die Trainerinnen und Trainer, außer Dustin und Dietmar sind das Tobias Schäfer, Christian Eimermacher, Ricarda Legemann und Anja Bischoff, vor Weihnachten kleine Präsentbeutel, die mit der Beschriftung „#Gemeinsam stark“ bedruckt waren. Bei der Verteilung konnte Dustin der strengen Abstandsregel auch eine lustige Seite abgewinnen: „Ich fuhr zu allen Mitgliedern meiner Gruppen nach Hause, klingelte und überreichte ihnen mit Hilfe eines langen Stocks, an dessen Ende der Beutel hing, ihre Geschenke! Das hat allen viel Spaß gemacht“, berichtet Dustin Noeske. Wir wollen hoffen, dass der Spaß am Sport bei euch, liebe LGM-Mitglieder, nicht ganz „flöten“ geht in dieser seltsamen, so krass ausgebremsten Zeit. Und wir wünschen uns mit euch, dass sinkende Infektionszahlen den Politikern Mut machen, die ärgsten Einschränkungen des Alltagslebens vorsichtig und Schritt für Schritt zu lockern – und irgendwann ganz aufzuheben.